Dienstag, 17. April 2012

13.-17.04.2012


13. – 17. April 2012 – Österliches.

Gerade kommt man aus dem österlichen Deutschland, hat den Bauch noch voll und das nächste was man bekommt ist – na was wohl – Essen. Das sogenannte Hungergefühl, dass man in der rauhen Steinzeit wohl noch kannte, ist mir fremd geworden.

Nachdem mein Rückflug nach Zypern ruhig verlief bin ich am nächsten Tag, dem griechisch-orthdoxen Karfreitag mit Caroline (einer ehemaligen Freilwilligen von hier, die hier gerade zu Besuch ist) zu Alexis und Andreas Familie gegangen. Dort wollten wir eigentlich helfen, Flaounes (Fla-ú-nes) zu backen. Das sind spezielle Ochterkuchenmit einer Käsefüllung, die in dieser Art nur zu Ostern hergestellt wird. Außerdem enthält die Füllung auch Ei und Rosinen. Da man aber nur mit ausreichender Perfektion und geprüfter Qualifizierung am eigentlichen Produktionsprozess teilnehmen darf (das war jetzt Ironie), durften wir wenigstens die Bretter mit den fertigen Flaounes halten, damit sie in den Steinofen geschoben werden konnten. Naja, immerhin durften Caroline und ich ganz alleine aus dem fertigen Olivenbrotteig kleine Fladen formen (Juchu!). Aber das war ganz nett. Ansonsten haben wir faul in der Sonne gesessen (daher auch der Sonnenbrand im Gesicht) und haben geplaudert oder über Andreas Sohn gelacht, der äußert dicke Backen hat und immer guckt, als würde jemand hinter seinen Augäpfeln sitzen und sie mit den Fingern rausdrücken. Das ist ein süßes dickes Baby. Nebenbei haben die Männer noch an der Terrasse rumgewerkelt, einen Zaun angebracht, dass Terrassendach gedeckt und Kaffee getrunken, vornehmlich Frappé. Dann gab es Mittagessen (Kolokasi und Bohnen mit Spinat). Es ist auch Tradition am Karfreitag groß reine zu machen. Später am Tag wird noch eine Art Tischen vollkommen mit Blumen ausgeschmückt, der dann das Grab Jesu symbolisieren soll, das ganze nennt man Epitaph. Abends haben die Glocken ein bisschen anders geläutet als sonst, ein bisschen trauriger. Man denkt eben den ganzen Tag daran, dass Jesus gekreuzigt wurde. Mit ihrer Osterwochen-Liturgie empfinden Die orthodoxen Griechen bzw. Zyprioten als quasi in Echtzeit die Geschichte in der Bibel nach. So steht in der Bibel geschrieben:

Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Plötzlich entstand ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.

Am Samstagmorgen wird zum Beispiel in der Kirche ein Heidenkrach (haha) veranstaltet, weil alle Leute mit den beweglichen Sitzflächen klappern um damit das Erdbeben zu symbolisieren.

Übrigens färbt man in Griechenland und auf Zypern die Eier hauptsächlich rot, die Geschichte dazu, die man mir erzählt hat, berichet von einer Frau, die die Nachricht der Auferstehung erfährt und sagt, das würde sie erst glauben, wenn dieses Eier, die sie trägt, rot würden. Woraufhin diese sich natürlich rot färben. Manche sagen allerdings auch, dass das Rot für das vergossene Blut Jesu steht.

Am Samstagabend gehen alle Leute und noch viel mehr mit Osterkerzen in die Kieche zur Mitternachtsmesse. Diese Kerzen werden schon vor Anfang April in Massen hergestellt, in den Schulen gebastelt, die Paten schenken sie ihren Patenkindern usw. Oft sind sie nett dekoriert aber man bekommt sie auch noch einfach in der Kirche zur Messe. Diese Kerzen stehen für das Wunder der Auferstehung Christi, wenn cih das richtig verstanden habe. An einem bestimmten Punkt werden die Kerzen angezündet und zwar mit einem Feuer, das extra zu diesem Zweck aus Jerusalem über Athen nach Zypern gebracht wird. Der Priester sagte, man solle sich doch nicht darum drängen, wer als erster sein Licht anzündet, weil das doch egal sei und das Licht sei doch erst vor fünf Minuten angekommen. Als quasi: Ist doch gut, macht langsam. Danach dürfen alle die Kerzen mit nachhause nehmen. Früher wurde mit diesen Kerzen hinterher auch noch eine Zeitlang alles Feuer im Haus angezündet (Kochstelle, Kamin, Licht etc.). Die Mitternachtsmesse geht in ihrer Vollständigkeit bis 3 Uhr nachts, dann gibt es Abendmahl, das aber nicht wie bei den Protestanten im Kreis von einem zum nächsten gegeben wird, sondern man muss wohl in einer Schlange anstehen und bekommt das dann vom Priester. Das habe ich mir allerdings nicht gegeben, weil mir von den 300 Leuten in der Kirche (und das ist sicher nicht übertrieben), mit ihren Kerzen, dem Weihrauchqualm und der warmen Luft von der Heizung, auf der sich saß, ein wenig übel wurde. Außerdem ist 3.00 Uhr echt lang. Wenn man die Kirche verlässt, wünscht man sich gegenseitig „Christos anesti!“ – Christus ist auferstanden. Die meisten gehen danach nachhause und essen eine Eiersuppe mit Zitrone. Außerdem gibt es Osterfeuer, die Judas Verbrennung symboliseren, nachdem der sich aufgehängt hatte. Desweiteren böllert man, oder sollte man es eher dynamiten nennen. Dafür gibt es keinen ästhetischen, traditionellen, praktischen, oder auch nur sonst irgendeinen vernünftigen Grund. Es stinkt, es ist unheimlich laut und es macht mir Angst, weil die jungen Männer das Dynamit (wir bleiben ruhig dabei, denn normale Böller sind das auf keinen Fall), vorzugsweise einfach irgendwohin werfen, auch wenn an diesem irgendwo jemand steht. Das hat mir also ganz und gar nicht gefallen. Aber wenigstens machen manche auch ganz normales Feuerwerk.

Ansonsten war ich gestern noch mit Giorgos und Caroline in Lemesos am Abend, Kaffee trinken. Ich hatte was ganz wildes, Mangoeis-Zimt-Kaffee, war nicht der Renner. Wir haben über dies und das geredet und Caroline hat ein bisschen von ihrem EVS erzählt und mir Empfehlungen für Plätze, Bars und Events gegeben. Das Café wo wir waren hatte übrigens so schöne Toiletten, dass ich sie fotografieren musste. Im Auto haben wir uns noch über die deutschsprachige Party-Musik unterhalten, solche Schätze wie „Nein Mann, ich will noch nicht geh’n“ oder „Yippie yippieh yeah, yippie yeah, KRAWALL UND REMMIDEMMI“. Und weil wir mit Giorgos auf seinem internetfähigen Handy endlich mal nachgeschaut habe, wann mein Namenstag ist (denn Geburtstag feiere ich ja schon wieder in Deutschland) und herausgefunden haben, dass der am 24.04. sein wird, werden diese meine deutschen Wunschtitel, zu denen ich dann ganz alleine ein Doofi-Solo tanzen kann. Denn praktischerweise habe ich ja nächste Woche auch Jugendaustausch mit vielen lustigen Leuten und da kann man dann eine Party feiern. Vielleicht denke ich mir sogar eine Doofi-Choreografie für die Teilnehmer aus. Egal, das wird bestimmt spitze. Außerdem hat es irgendwann auf der Autofahrt von draußen her total nach Jasmin geduftet, das war schöööön.

Vielleicht habe ich ja schon erzählt, dass auf Zypern alle Männer zwei Jahre Armee machen müssen nach der Schule und sich dem zu entziehen ist äußerst schwer. Was mindest genauso interessant und fast schon doppelt so blöd ist, dass man nicht nur Menschen rekrutieren kann, sondern auch ihreFahrzeuge im Kriegsfall. Da rufen die dich dann nicht an und sagen: „Wir möchten ihren 19 jährigen Sohn zum Wehrdienst einziehen.“ Das heißt dann „Sie besitzen eine Suzuki GW 250? Die wird zum Armeedienst verpflichtet.“ Entgehen kann Mann dem nur, indem man das Gerät auf Frau, Freundin, Mama oder Oma umschreiben lässt. Aber wer will das schon?

Am Samstag, habe ich dann länger geschlafen und bis nachmittags am Programm für den Austausch gearbeitet und habe hinterher mit Caroline einen Spaziergang zu einem alten Versteck der EOKA Kämpfer gemacht. Es ging manchmal ganz schön bergauf, zum Glück hat die Sonne kaum geschienen, sodass einem nicht ganz so heiß wurde. Unterwegs haben wir über das EVS geredet und Erfahrungen über Jugendaustausche ausgetauscht (das klingt jetzt aber doof). Sie hat ja schon bei vielen mitgemacht und auch eigene organisiert, auch hier in Agros und hat daher schon mehr Erfahrung als ich und konnte mir viele Tipps geben. Auf dem Weg zum Versteck haben wir eine richtig große Müllhalde entdeckt, da braucht man sich nicht wundern, warum man auf den Straßen von Agros nie Sperrmüll oder sowas rumliegen sieht. Ganz toll.

Am Sonntag gab es am Morgen natürlich wieder eine Messe und es wurde immer noch kräftig geböllert. Zum Mittagessen waren Caroline und ich bei Loukas eingeladen, das heißt ins Haus seines Großvaters, wo alle Cousinen und Cousins und Onkel und Tanten usw da waren. Es waren insgesamt bestimmt mindestens 25 Leute (habe leider nicht nachgezählt), es gab Souvla, mal wieder Hoden, aber diesmal mit Darm umwickelt, Leber und Niere, Nudelaufläufe, grüne Salate mit Ei oder Hühnerfleisch, gefüllte Weinblätter, Ofenkartoffeln, Makaronia usw. Traditionellerweise ist man zu Ostern, noch bevor das Fleisch vom Souvlagrill durch ist, einige noch nicht ganz durchgebratene Häppchen davon. Nach diesem Essen sind wir mit Loukas zu Nikolas Familie gefahren und haben dort die Babys von Nikolas Bruder Vasilis und das von Giorgos Schwester Dimitra bewundert. Später kam dann auch noch Andreas mit seinem Baby. Also quasi eine Babyparty. Übrigens gibt man in Griechenland und auf Zypern den Kinder immer den Namen der Großeltern. So heißt zum Beispiel das Baby von Vasilis „Dimitris“, benannt nach dem Vater von Vasilis Frau.

Wir mussten dort auch noch Nachtisch essen und hinterher waren Caroline und ich so voll, dass wir ganz müde und träge wurden. Aber wir mussten auch noch zu den Osterspielen, die sind ebenfalls Brauch hier. Die Gemeinden in den Dörfern veranstalten große Spiele wie Schubkarrenrennen oder Sackhüpfen, Eierlauf und so weiter, bei denen dann auch die Gewinner mit einem Pokal gekürt werden. Das ganze hat sich unheimlich in die Länge gezogen, weil natürlich alle zu spät waren, aber das war nicht so schlimm. Caroline und ich haben bei einem Parkour mit gemacht, den man mit dieser Brille bewältigen muss, die Abstands und Größenverhältnisse verfälscht, so als ob man betrunken wäre. Gewonnen habe ich allerdings nicht, ich habe wohl nicht genug Übung im betrunken sein.

Um 24.00 sind wir dann auf eine Party ins „escape“ gegangen (Disco, Club, Restaurant, oder je nachdem was man darin machen möchte). Dafür haben wir vom Besitzer Andru aus Rumänien VIP Karten bekommen, sodass wir den Eintrittspreis von 15 Euro sparen konnten. Um zwei Uhr kam dann auch endlich der Hauptakteur des Abends, ein bekannter zypriotischer Sänger, dessen Namen ich vergessen habe. Der sang dann ungefähr eine Stunde und dann gab es noch traditionellere Tanzmusik und Caroline und ich dachten schon, dass es jetzt langsam Zeit wäre zu gehen, aber dann haben wir uns doch noch aufgerafft und ein bisschen getanzt und dann kam auch noch die gängige Party-House-Musik und dann sind wir doch noch bis 5.30 geblieben, zum Schluss waren nur noch 10 Leute oder so da und wir hatten mit ein paar Freunden die ganze Tanzfläche für uns alleine, das war toll. Und ich glaube, in mir steckt doch mehr Raver als ich dachte, zumindest mehr Raver als Schuhplattler oder Sirtaki. :D Habe dann auch von 6 Uhr bis 15.00 geschlafen. Heute kommen auch Leute aus Thessaloniki zu einem Austausch her, aber mit denen werde ich nicht so viel zu tun haben.

Gestern am Abend sind die Menschen aus Thessaloniki angekommen und wir zusammen mit ihnen Abendbrot gegessen im Restaurant von Nicholas Eltern. Die sind alle ziemlich nett, es sind auch ein paar dabei, die ganz gut Deutsch sprechen. Eine junge Frau studiert klassischen Gesang und der Vize-Bürgermeister von dem Stadtteil aus dem sie alle kommen singt auch wie ein Opernsänger, wirklich toll. Der hat bestimmt drei oder vier Lieder geschmettert, in einer Lautstärke. Nachdem dann alle mal ein Lied gesungen hatten, mussten Caroline und ich natürlich auch ein Lied singen. Am besten ein Volkslied sagte man. Das ist nur nicht so einfach, da sie ja aus Österreich kommt und da unterscheiden sich die Kulturgüter leicht. Also haben wir dann „Weißt du wie viel Sternlein stehen“ gesungen. Viel lustiger war es dann allerdings, als wir noch diese äußerst markante Stelle in diesem wohlbekannten Lied gesungen:

„LEBT DENN DER ALTE HOLZMICHEL NOCH, HOLZMICHEL NOCH, LEBT DENN DER ALTE HOLZMICHEL NOCH, HOLZMICHEL NOCH? JAAAAAAAAAAAAAAAA, ER LEBT NOCH, ER LEBT NOCH, ER LEBT NOCH, JAAAAAAAAAAAAAAA ER LEBT NOCH, ER LEBT NOCH, STIRBT NICHT!“ Und wir haben auch nicht vergessen, ordentlich zu schunkeln und zu grölen.

Wir haben dieses wunderschöne Stück deutschsprachiger Kultur nicht etwa ausgesucht, weil wir keine Volkslieder kennen, aber es war das einzige, was wir beide kannten. Auf jeden Fall hat es viel Erheiterung hervorgerufen. Heute Abend veranstalten die Griechen einen griechischen Abend und da singen wir dann vielleicht was schöneres. Mir ist ja spontan eine ganze Menge Sachen eingefallen: Drunten in der grünen Au, Zu Grünewald im Isartal, Kein schöner Land, Im Walde da wachsen die Beeren, Horcht was kommt von draußen rein…Das ganze Programm. Das ganze Gedudel. Vielleicht singen wir auch Männer sind Schweine. Oder Mensch von Herbert Grönemeyer, davon gibt es immerhin eine griechische Version. So viele schöne Sachen. Und was auch schön ist, dass die Leute aus Thessaloniki gaaanz viel Geduld haben, schön langsam und deutlich mit uns Griechisch zu sprechen, sodass wir ihnen auch antworten können.

Abends sind dann noch einige in Andreas Bar gegangen, vor allem die Zyprioten, weil sie am Ostermontag immer die Nacht durchmachen zum Dienstag, weil es in der Früh um fünf eine Wanderung um und durch das ganze Dorf gibt, bei dem wirklich fast alle Bewohner des Dorfes mitmachen, egal ob jung oder alt.

Das ganze dauert etwa 4 Stunden, wird begleitet von gnadenlosem Geböller, bis die Ohren schmerzen. Auf dem Weg kommen alle, die nicht bei der Wanderung mitmachen aus ihren Häusern und bieten in ganz schmucken Silbergefäßen Rosenwasser, Süßigkeiten und Weihrauch an, oder stellen Essen und Trinken bereit. Danach gehen dann viele noch zum Gottesdienst oder nachhause und schlafen eine Runde. Caroline und ich haben nur den zweiten Teil mitgemacht, weil uns fünf Uhr ein bisschen früh war, sieben Uhr hat uns völlig gereicht.

Jetzt muss ich noch ein bisschen am Austauschprogramm arbeiten,

Grüßchen,

Elisa

Montag, 2. April 2012

02.04.2012

2. April 2012 - Um was kümmern sich die Menschen hier?

Diesmal möchte ich, meine lieben Mitmenschen, ein Frage aufgreifen, die mir die liebe Dana von meiner Sendeorganisation, dem CGE Erfurt gestellt haben. Was beschäftigt die Menschen hier und was nicht? Was kommt mir da in den Sinn? Wie ist Zypern? Was ist Zypern?

Vielleicht haben sich viele von euch Zypern als einen gebeutelten Staat im Süden Europas umgrenzt von Krisengebieten vorgestellt, nur mäßig wohlhabend, oder gar ein „bisschen arm“. Das kommt daher, das die meisten von uns sich so gut wie nie mit Zypern beschäftigt haben, denn es ist ja weit weg und vielleicht hat man noch gehört, dass es geteilt ist, aber da hört es dann auch schon auf.

Nun gut. Zypern ist ein Land, in dem es, genauso wie in Deutschland auch, alle „Schichten“ gibt. Es gibt die ganz Reichen, die sich sogar ein Haus in Naturschutzgebieten bauen können, obwohl dort nicht mal auch nur an irgendeiner Stelle ein Mülleimer steht. Also die, die sich vielleicht eine 3000 Mann Hochzeit ohne Kredit leisten können. Dann gibt es noch die relativ wohlhabenden, zu erkennen an ihren Autos, den Plätzen, an denen sie leben (Stadtzentrum Nikosia, Strandgebiete) und natürlich daran, wie sie sich kleiden. Dann gibt es noch „die Mittelschicht“ und darunter noch die Geringverdiener, Einwanderer (vornehmlich Philippiner, Rumänen und Asiaten), die oft als Putzkräfte oder Hotelangestellte arbeiten und letztendlich auch jene, die in Armut leben. Erst kürzlich war ein Artikel in der Zeitung, in dem eine rührende Geschichte beschrieben war, wie ein Schuljunge mit einem Klassenkameraden sein Schulbrot sein über zwei Monaten teilte, bis die Lehrerin es merkte und die Geschichte dann irgendwie niedergeschrieben wurde. Die Eltern des einen Achtjährigen konnten für ihren Sohn wohl nicht einmal mehr Schulbrot zubereiten, so wenig Geld hatten sie. Als das sein Freund merkte und über die finanzielle Not aufgeklärt wurde, bat der seine Mutter, sein Schulbrot doch bitte in zwei Hälften zu teilen, weil das große Brot so unhandlich wäre. Und das ging dann eben längere Zeit so und zum Schluss gab es ein Lob von der Lehrerin über diesen Akt der Freundschaft und Nächstenliebe, der doch so ganz würdevoll von Statten ging. Als mir Maria aus der Küche erklärt hat, worum es ging, musste Anna, auch vom Altersheimpersonal, die mir immer sagt, wie lieb sie mich hat, anfangen zu weinen. Das hat mich sehr gerührt, mehr als die Geschichte von dem Jungen, der kein Schulbrot hat, die da so ganz unkommentiert und klein in der Ecke dieser großen Zeitung stand. Zyprioten können sehr viel, viel, genug, oder zu wenig Geld zum Leben haben, das ist wie bei uns auch, aber auch bei ihnen wird die Einkommensschere immer größer. Natürlich ist Zypern keine Weltwirtschaftsmacht, obwohl es einen Versuch wert wäre, ein Halloumi-Monopol einzuführen, aber immerhin haben sie genug Geld um in den Schulen Geld für die armen Griechen zu sammeln, genauer gesagt, für die Kinder in den Schulen, die sich kein Essen mehr leisten können oder direkt für Schulen, weil nicht mehr genug Geld da ist, um die Lehrer zu beschäftigen. Das geht den Zyprioten auch durch den Kopf.

Sie haben denselben Markenwahn (wenn manchmal nicht sogar noch schlimmer) wie viele in Deutschland und sie haben den Autowahn. Meine Griechischlehrerin hat mir erzählt, dass sie eine Zeit lang auf Arbeit, zum Gymnasium, mit dem Fahrrad gefahren ist, weil der Weg nicht so weit und die Kosten wesentlich geringer waren. In Griechenland soll das durchaus üblich sein, wie in Deutschland. Aber von ihren zypriotischen Kollegen oder Freunden wird sie wohl belächelt, weil auf Zypern meist nur Einwanderer, alte Leute, Jugendliche ohne Führerschein und Menschen vom unteren Rand der Mittelschicht mit Bus oder Fahrrad fahren. Daher auch die großen Umweltbelastungen durch Autoabgase.

In meinem Dorf wurde letzte Woche Geld gesammelt für einen Jungen von hier, die an einer schweren Herzerkrankung leidet und in Athen behandelt werden muss, weil er sonst stirbt. Seine Mutter aber, die alleinerziehend ist, kann diese Kosten nicht aufbringen, und so sind im ganzen Dorf Aktionszettel rumgegangen und Geld wurde gesammelt und jetzt hoffen natürlich alle auf gute Nachrichten.

Was die Zyprioten eher weniger interessiert ist zum Beispiel ihr Müllproblem. Vielleicht habe ich schon geschrieben, dass es hier auf Zypern noch zwei große Mülldeponien gibt, die von der EU als gesundheitsgefährdend eingestuft wurden und deren Beseitigung, unter Drohung mit dem EU-Gerichtshof, gefordert wird. Mülltrennung ist den Menschen hier fremd und Recyceln auch. Plastikflaschen und Metalldosen ohne Ende, die Plastikbecher für die Wasserspender, die bei uns normalerweise in Drogeriemärkten oder bei Karstadt oder so stehen, werden auch in rohen Massen verbraucht, in meinem Altersheim zum Beispiel pro Tag geschätzte 100 Stück, das macht in der Woche 700 und im Monat dann ungefähr 2100??? Ich weiß, dass solche Rechnereien doof sind, aber anstatt einfach die Gläser stehen zulassen und nachzufüllen und sie dann von den doofen EVS-Volontären abspülen zu lassen, produziert man lieber eine anständige Menge Müll. Plastikbecher sind hier das GANZ große Rennen.

Am 25. März hatten wir hier mal wieder eine Parade mit militärischem Schritt und Trommeln, da an diesem Datum im Jahr 1821 die griechische Revolution begann.


Aus diesem Anlass schwingt man hier mal wieder Fähnchen. Diesen Samstag gab es abends einen Fackelumzug, auch mit Trommeln und danach haben gab es in den Bergen kleine Feuer. Das Ganze soll an den Beginn der Revolution gegen die britische Kolonialmacht am 1. April 1955 erinnern, der von der „nationalen Organisation zypriotischer Kämpfer“ (EOKA) angeführt wurde.

Dieses Wochenende hatten wir auch ein Vortreffen mit den Gruppenleitern für unseren nächsten Jugendaustausch vom 20. bis zum 30. April. Wir haben mit ihnen das Tagesprogramm, die Reisekostenrückerstattung und grundsätzliche Dinge besprochen. Am Abend waren dann auch noch, außer einem, alle EVS Freiwilligen aus Zypern in Agros und alle haben an dem Fackelumzug teilgenommen und hinterher gab es dann bei den Feuern auch noch eine Party, natürlich mit Souvlaki. Bei den Besprechungen wurde mir dann nochmal klar, dass das schon eine große Verantwortung für mich sein wird, ungefähr 50 Leuten jeden Tag zu sagen, was wir jetzt machen, dass sie zu der und der Zeit da und dort sein müssen, vor allem wenn man bedenkt, dass der Großteil von ihnen älter und wahrscheinlich auch erfahrener sein wird als ich. Aber wenn auch nur die Hälfte der Teilnehmer so engagiert ist wie die Gruppenleiter, dann wird da sicherlich eine schöne Sache draus.


Im Griechischunterricht sind wir jetzt gottseidank endlich bei den Vergangenheitsformen angelangt, das wurde auch langsam mal Zeit. Ich muss sagen, dass es mir immer noch schwerfällt die Gespräche der Leute zu verstehen, weil der zypriotische Dialekt doch relativ schwer ist, wenn man eigentlich „reines“ Griechisch lernt. Für vieles haben sie hier andere Wörter als im normalen Griechischen, zum Beispiel für „nimm!“. Auf Griechisch heißt es „Pare!“ und im zypriotischen „Piaste!“. Das ist ungefähr so, wie wenn wir „Broiler“ und „Brathähnchen“ meinen. Deswegen ist es auch schwer für die Griechen, die hierherkommen, die verstehen manchmal auch so gut wie gar nichts, wenn die Leute hier superschnell in ihrem Dialekt daherreden.

Demnächst kann man mich dann wieder mal in Deutschland sehen, denn am Donnerstag fliege ich von Larnaka nach Leipzig um zu Ostern Urlaub in Erfurt zu machen und ich freue mich schon total, alle wiederzusehen. =) Und das besonders Coole daran ist, dass ich Doppelostern haben werde, einmal in Schland und einmal auf Zypern, weil das orthodoxe Ostern vom 13. April bis zum 15. Gefeiert wird und ich komme natürlich pünktlich zum 12. April nach Zypern zurück. Also richtig clever. Und dann kann ich auch schon einiges von meinen Wintersachen wieder mit nachhause nehmen und deutsche Spezialitäten mit nach Zypern nehmen (Knusperflocken finden überall großen Anklang, Käse oder zum Beispiel Rotwurst und Milkaschokolade, Knackwurst, Kochkäse, Baumkuchen, Waldmeistergetränke und so weiter…).

Abgesehen davon: Der schöne schöne Frühling kommt. Es duftet nach Blümchen und warmem Regen und bald wird alles weiß, zartrosa, pink und gelb und grün sein.


Bis bald

Eure Elisa